Sonntag, 12. Januar 2014
Spätjahresputz
Ich habe ja schon zuvor über die Bōnenkai Feier mit der Abteilung gesprochen. Nun möchte ich die Geschichte fortsetzen.

Am Ende des Berichtes hatte ich ja geschrieben, dass der nächste Arbeitstag nicht sehr produktiv war. Genau diesen Tag möchte ich jetzt einmal aufgreifen. Es handelt sich dabei um den letzten Freitag des letzten Jahres und auch um meinen letzten Arbeitstag im letztren Jahr.

Wir kamen also alle zur Firma und der Großteil war noch immer betrunken. Gut, was erwartet man auch anderes nach so einer Nacht, die wir zuvor überstehen mussten. Dementsprechend kämpften alle damit ein Wenig wach und produktiv auszusehen. Das viel mir aber genau wie einigen Kollegen sehr schwer und deswegen bewegten wir uns auch mehr in Schlangenlinien zu dem Kaffeeautomaten...

Aber was muss, das muss und daher reißten wir uns alle zusammen und versuchten unsere Arbeit zumindest so gut zu machen, wie wir es konnten. Und eh man sich versah hatten wir es auch zur Mittagspause geschafft und es gab erstmal eine große Portion Essen in der Kantine.

Hier muss ich ganz kurz die Geschichte unterbrechen:
Zu der Kantine sagen mir immer alle Kollegen, wie schlecht die Kantine doch ist. Ich gehe da meistens jedoch sehr gerne hin!
Ja, das Essen ist nicht wirklich super. Jedoch wenn ich es mit der Mensa aus Hamburg vergleiche...

Beschreiben wir die Qualität des Mensa-Essens mit versuchter Körperverletzung und seit ich aufgehört habe dort zu essen graut es mir vor Großküchen. Diese Kantine hat jedoch meine Angst soweit genommen und ich kann dort auch gut essen gehen (aber nur einmal pro Tag).

Aber wieder zurück zur Geschichte!

Mit einen reich gefüllten Magen kehrte ich zu meinen Arbeitsplatz zurück um zu versuchen, endlich produktiv zu werden.

Kurzum: Es hat nicht geklappt.

Kaum saß ich auf meinen Platz kam ein älterer Kollege vorbei und erklärte mir, dass ich langsam die Arbeit runter fahren sollte (HAHA, als ob ich überhaupt an diesen Tag irgendeine Arbeit geschafft hätte). Zusätzlich erklärte er mir, dass ich anfangen sollte meinen Arbeitsplatz richtig aufzuräumen.

Ich will da jetzt nicht ins Detail gehen. Ich habe Staub gewischt und hab dann noch über fünf Minuten Unterlagen geschreddert, weil ich immer noch nicht in der Lage war zu beurteilen, welche in den normalen Müll dürfen. Also einfach alles schreddern und den Rest sortieren.

Danach ging es dann zu einer Versammlung in den Großraumbüro über uns.

Ganz kurz: Ich arbeite in einem dreistöckigen Gebäude mit einer Fertigung im Erdgeschoss und darüber zwei Etagen mit jeweils einem Großraumbüro, in dem die Leitung der Fertigung und ein Teil der Entwicklung sitzen (bzw. erster Stock Forschung und Entwicklung und ein Teil Fertigungsleitung und zweiter Stock rein Forschung und Entwicklung - ich sitze momentan im ersten Stock).

In dem großen Büro sammelten sich dann die über hundert Mitglieder der Forschung- und Entwicklungsabteilung, die in diesem Gebäude arbeiten. Also sehr viele Leute (Ok, dieses Meeting gibt es sowieso einmal pro Woche).
In der Mitte des Raums waren mehrere Kartons gestapelt und einer aus der Abteilungsleitung hielt dann erstmal eine Rede. Den Inhalt der Rede habe ich nicht wirklich verstanden, jedoch wurden danach die Kartons geöffnet, die Unmengen an Reinigungsmitteln und Putztüchern enthielten.

Danach wurde alles gewischt und geputzt!

Die Leute wurden in Gruppen eingeteilt und es wurde wirklich alles gereinigt. Leider wurde ich trotz meiner Größe nicht für das Putzen der Leuchtstoffröhren eingeteilt und durfte daher für die nächsten 1 1/2 Stunden mit ein paar Leuten (inklusive Abteilungsleiter und Teamleiter) auf dem Boden rum kriechen und den Boden mit der Hand wischen.

Nein, dass ist kein Scherz!

Erst am Ende erfuhr ich, dass unser Team auch für das Staubwischen auf den Oberseiten der Regale zuständig ist...

Das hätte ich von Anfang an machen können. Dann hätte keiner der Japaner auf den Drehstühlen rumturnen müssen. Aber nein, die Planung hatte an der Stelle keinerlei Rücksicht auf die Größen genommen. Somit durften die Kollegen, die die Regale putzten dann feststellen, dass ich als Hobby in den letzten Monaten immer auf die Regale "Putz mich!" (natürlich in Englisch) geschrieben habe.

Ich habe das immer wieder mit einen Fingern in den Staub geschrieben. Das hatte jedoch bisher keiner in der Firma gesehen (gut ich bin ca. 195 groß und es gibt nur eine Hand voll Leute in der Firma, die nicht mindestens ein Kopf kleiner sind als ich). Wirklich keiner hatte meine Texte gelesen und nun wurden sie alle weg gewischt.

Jedoch wurde mir erst in diesen Moment klar, dass jeder sofort wusste, wer das auf die Regale und Schränke geschrieben hat...

Keiner kommt dort Oben an und keiner nutzt freiwillig Englisch, wenn er es nicht muss.

Aber schwamm drüber. Es würde mich aber schon interessieren, was die Kollegen sich dabei gedacht haben...

Ok, also irgendwann war dann die ganze Putztour durch und wir trafen uns endlich alle wieder im oberen Stockwerk. Dort standen nun keine Kartons mehr, sondern "nur noch" Tische voller Bierdosen. Der oberste Leiter der Forschung und Entwicklung hielt dann noch eine Rede und danach nahmen sich die Leiter jeder ein Bier, öffneten es und stießen an. Danach wurde dann weniger offiziell das Bier an alle Mitarbeiter verteilt. Der oberste Leiter kam noch kurz zu mir und wünschte mir einen guten Rutsch, als ich gerade mein Bier in die Hand bekam. Er stieß dann noch einmal mit meiner NOCH geschlossenen Bierdose an und ging weiter.

Ich weiß nicht wie es kam, jedoch hatte ich eine Kurzschlussreaktion.

Zack, mein Bier war offen.

Die Kollegen um mich herum gucken schockiert und schnell wurde mir erklärt, dass nur die Chefs das machen dürfen.

Na toll! Der Zug war jetzt abgefahren!

Aber das Problem löste sich quasi wie von alleine, als mein Abteilungsleider dann auch noch mit mir anstoßen wollte und einen Schluck nahm. Danach kamen dann auch noch ein paar Trainees mit offenen Bieren zu mir und tranken auch noch mit mir.
Ich weiß jedoch nicht ob die Trainees den selben Fehler begangen haben oder einfach aus Mitleid meinem Beispiel gefolgt sind, damit ich nicht ganz so doof dastehen. Das Problem war aber gelöst und ich trank mein Bier nicht alleine.

Danach ging es dann noch mit Leuten aus der Firma zum Essen und die Arbeit war für das Jahr erledigt.


Vergleicht man nun diesen Putztag mit deutschen Gewohnheiten findet man recht schnell den Frühjahresputz. Mir fiel auf, dass die Japaner wirklich sehr, sehr viel Wert auf den Jahreswechsel legen und diesen Putz am Jahresende machen, damit sie vom Sinn her ohne Altlasten in das neue Jahr starten können. Der Start im neuen Jahr ist dann sauber und frisch.

In Deutschland läuft dies jedoch etwas anders...
Wir nehmen uns vielleicht Vorsätze für das neue Jahr, jedoch gehen wir nicht so stark auf das neue Jahr ein wie die Japaner es tun (also mit den Putzen und den Bōnenkai).
Man merkt stattdessen, dass der Jahreswechsel zum Teil zwar zelebriert wird, jedoch viele Ereignisse und Feiern vom Jahreswechsel gelöst sind. So misten sich Deutsche (vermutlich Historisch bedingt) zum Winter ein und wenn das Frühjahr kommt, dann räumt man die Überreste vom Einmisten auf. Dieses Vorgehen ist vom Jahreswechsel losgelöst. Jedoch haben die Japaner es mit dem Jahreswechsel verbunden. Das ist jedoch kein Wunder, da es in Japan nur an wenigen Orten so kalt wird wie in Deutschland im Winter und man sich nicht ganz so stark einmisten muss.

Es ist also eine interessante Erfahrung gewesen, die die Unterschiede in den Kulturen dann doch deutlich machte.

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